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Gravel Reisen – Via Verdes Teil 2 - Von Valencia nach Gibraltar

Spanien verfügt über ein Netz alter Eisenbahnstrecken, die in gemeinsam genutzte Schotterwege umgewandelt wurden, die sich perfekt für längere Radtouren auf Schotter eignen. Timo Rokitta und seine Partnerin Mandy Rodriguez verbrachten einen Teil des Septembers damit, das Via Verdes-Netzwerk im Süden Spaniens zu durchqueren, und schickten diesen inspirierenden Bericht über ihre Reisen.

Nachdem wir im letzten Jahr unser Projekt Spanien auf alten Bahnradwegen, den sogenannten "Via Verdes" zu durchqueren begonnen hatten, folgte in diesem Jahr Teil 2. Begonnen hatten wir im September 2022 in Santander an der Küste Kantabriens. Auf dem "Via Verde Santander-Mediterraneo" und dem "Via Verde Ojos Negros" sind wir 900 Kilometer durch den Norden und die Mitte der iberischen Halbinsel gefahren.

Nach zwei Tagen mit teils heftigen Unwettern starten wir dieses Jahr in Valencia um von hier aus über die "Via Verdes" ganz nach Süden, nach Gibraltar zu fahren. Da wir aus Erfahrung nicht gleich am ersten Tag eine lange und schwierige Etappe bewältigen wollen, fahren wir zunächst flach entlang der Küste bis nach Gandia, einem touristisch erschlossenen Ort am Mittelmeer. Wir durchqueren dabei endlose Orangenplantagen und Gebiete mit Schilf, das mehr als 5 Meter hoch ist.

In Gandia beginnt dann auch schon der erste "Via Verde". Der Track der ehemaligen Bahnlinie von Gandía nach Alcoi führt durch eine einsame Bergwelt direkt von der Mittelmeerküste. Die Bahnstrecke war bis 1969 in Betrieb. Eine einzigartige Karstlandschaft entlang des Rio Serpis, eingeschlossen von hohen Bergen und malerischen Schluchten. Die ehemaligen Bahnlinie wurde auch die Eisenbahn der Engländer “El Tren de los Ingleses” genannt. Die Linie anfangs von einer britischen Gesellschaft gebaut und betrieben wurde. Sie diente dem Personen- und Güterverkehr von der Mittelmeerküste bei Gandía in das Bergland nach Alcoi. Damals waren acht Tunnel projektiert, einer davon stürzte ein und begrub damals mehrere Menschen unter sich. 12 Brücken wurden für dies Strecke gebaut. Auf der damaligen Strecke brauchten die Lokomotiven viel Kohle und Dampf, so dass die Passagiere oft mit geschwärzten Gesichtern ankamen. Im Jahr 1968 wurde die alte Bahnstrecke stillgelegt und abgebaut. 

Die Route des Via Verde führt durch den Barranco del Infierno, eine knapp 13 km lange Schlucht. Die Landschaft hier oben ist atemberaubend und sehr abgelegen. Zusammen mit den Wolkenfetzen, die über die Berge ziehen, entsteht eine fast mystische Atmosphäre.

Auf der folgenden Hochebene liegt der malerische Ort Bocairent, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Abfahrt von hier führt über einen neu renovierten Via Verdes und endet erst in Villena, wo gerade ein Fest stattfindet. Die Bewohner sind als Ritter und Araber verkleidet – wir kommen uns vor wie im Mittelalter. 

Von Yecla aus führt eine Verbindungsetappe nach Albacete. Wir durchqueren ausgedehnte Olivenhaine und Weinberge. Ab und zu passieren wir kleine Lagunen, auf denen sich unzählige Vogelarten tummeln. Schon am späten Nachmittag sind wir in Albacete und erkunden die Stadt zu Fuß. Wir bestaunen eine der schönsten Stierkampfarenen Spaniens und in der Kathedrale eine Nachbildung des Leichentuches Jesus.

Wir brechen am nächsten Morgen früh in Albacete auf, denn heute steht uns die Königsetappe mit über 155 Kilometern bevor. Wir finden schnell aus der Stadt und schon nach wenigen Kilometern fahren wir auf grobem Schotter. Lange Geraden dominieren zunächst den Track, wir sehen auf kein einziges Dorf. Besonders dieser Abschnitt erfordert ein stabiles Gravelbike mit profilierten, pannensicheren Reifen! Dann beginnt eine über 25 km lange Strecke durch die Llanos von Albacete. Schier endlos erscheint die eintönige und "naturbelassene" Strecke. Der Abschnitt danach bis El Jardin und Alcaraz ist ein landschaftlicher Genuss. In den dunkeln Tunnels fliegen Fledermäuse umher und über den Bergen kreisen riesige Greifvögel.

Ab Balazote durchqueren wir 20 Tunnel und 2 große Viadukte sowie eine Metallbrücke. Die meisten Tunnel sind nicht beleuchtet, gute Lampen sind hier unbedingt erforderlich. Der Radweg endete am Santuario Ntra. Sra. de Cortes. 

Am Bahnhof Reolid beginnt der zweite Abschnitt des Vía Verde, der weiter auf der Bahntrasse nach Villapalacios und Bienservida führt. Nach der Überquerung der Provinzgrenze sind wir nun in Andalusien und sehen die Wegweiser des Vía Verde de Segura.

Uns fallen die unendlich erscheinenden Olivenhaine auf. In Spanien soll es 300 Millionen davon geben. Die Dinosaurierspuren in Santisteban del Puerto versetzen uns in eine sehr entfernte Vergangenheit, als der Mensch noch nicht auf der Erde war. Sie liegen etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum in der Region El Condado entfernt und es sind eine der beiden Ichnitias-Fundstätten in Andalusien. In dieser paläontologischen Fundstätte finden sich 24 Fußspuren von bis zu neun Zentimetern Tiefe, die zu zweibeinigen Dinosauriern aus dem Trias gehören. Sie sind auf roten Tonsteinen eingeprägt, die wahrscheinlich zur Gruppe der Archosaurier gehören und sind über 230 Millionen Jahre alt. Die Form der Spuren zeigt, dass diese Dinosaurier auf zwei Beinen liefen, mit Bewegungen ähnlich denen eines Kängurus. Es sind sogar Informationen wie ihre ungefähre Größe und Gewicht, ihr Alter und ihre sozialen Gewohnheiten bekannt. Die Anordnung der 24 Ichniten in eine bestimmte Richtung legt nahe, dass es sich um eine Gruppe von Tieren handelte.

Das kleine Städtchen Linares empfängt uns mit einer schönen Allee, die mit Palmen gesäumt ist. Vor der Stierkampfarena erinnert ein Denkmal an Manuel Laureano Rodríguez Sánchez, genannt „Manolete". Er war in ganz Spanien bekannt für seinen Mut, den er gegen die Stiere aufbrachte. In einer Vielzahl von Kämpfen erlangte der Torero einen hohen Bekanntheitsgrad. Er starb 1947 im Sanitätszimmer der Stierkampfarena, nachdem der Kampfstier Islero ihn auf die Hörner genommen hatte. Es wird vermutet, dass die Todesursache eine Bluttransfusion der falschen Blutgruppe war. Bewiesen wurde dies allerdings nicht. Seine letzten Worte waren «No veo» („Ich kann nicht sehen“).

Am alten, hübsch restaurierten Bahnhof San José in Linares beginnt der gleichnamige Via Verde. Die Strecke ist mit 3 % Gefälle überraschend abschüssig und erfordert einiges an Konzentration wegen ihrer holprigen Oberfläche. Im weiteren Verlauf wird sie jedoch besser und führt geradewegs durch ausgedehnte Olivenhaine. Nach 15 Kilometern endet sie abrupt und so fahren wir anschließend kleinen, mit Schlaglöchern übersäten Strässchen oder auf breiten Pisten bis Jaen.

Wir starten so früh wie möglich in Jaen auf den Via Verde de Aceite. Da es Sonntag ist, sind viele Radfahrer, Wanderer, Jogger und sogar Reiter auf dem Weg unterwegs. Nach ein paar Kilometern ist jedoch freie Fahrt und wir treffen nur noch vereinzelt ein paar Mountainbiker. Obwohl wir die Steigung kaum bemerken, sind es fast 600 Höhenmeter auf den 100 Kilometern bis nach Lucena.

Die Landschaft ist wieder geprägt von unzähligen Olivenbäumen, die bis an den Horizont der hügeligen Landschaft reichen. Nach etwa 22 Kilometern und 140 Höhenmetern, ist die erste Kuppe des Via Verde erreicht. Hier überquert der Radweg die Provinzgrenze nach Cordoba auf einem riesigen Eisenbahnviadukt. 

Der Olivenöl-Radweg entstand auf der Bahnstrecke von Jaén nach Campo Real. Im Volksmund hieß die damalige Strecke "El Tren del Aceite" was übersetzt „Olivenölbahn“ heißt. Überdimensionalen Metallbrücken sind kennzeichnend für den Olivenölradweg. Von Lucena sind es noch circa 20 Kilometer auf dem Via Verde de Aceite bis zu dem unspektakulären Endpunkt bei Puente Genil. Wir biegen hier 90 Grad nach rechts ab, um nach Cordoba zu fahren. Endlose Berge und Hügel mit Olivenbäumen säumen dabei unseren Weg. Auf den Spitzen stehen oftmals die strahlend weißen Haziendas der "Ölivenöl-Barone". 

Eigentlich war geplant entspannt nach Cordoba zu rollen, doch meistens kommt es anders als geplant. Doch das letzte Stück auf dem „Camino de Mozarabe“ ist sehr anstrengend. Erst führt der Track über einen ausgewaschenen Feldweg mit sandigen Passagen, danach folgte eine üble Wellblechpiste. Und das alles mit Steigungen mit bis zu 16 % und bei über 30 Grad im Schatten, wobei es hier keinen Schatten gibt.

Nach einem verdienten Ruhetag in Cordoba, an dem wir die einmalige Mesquita und die Altstadt besichtigen, geht es weiter auf den nächsten Via Verde dem VV de la Campina. Wir überqueren zunächst den Fluss Guadalquivir und passieren die Slums von Cordoba. Der erste Abschnitt führt von Cordoba zur Provinzgrenze bei La Carlota. Der Zustand des Radwegs ist dabei sehr unterschiedlich. Gleich zu Beginn gibt es ein Stück mit tiefem Schotter, ohne Stollenreifen gibt es hier keine Chance vorwärtszukommen. Der Via Verde de la Campina führt meist durch eine weite Hügellandschaft, die von Getreidefeldern, Weinbergen und Olivenhainen geprägt ist. 

Nach Fuentes de Andalucía fahren wir auf schneeweißen Schotterpisten - die Sonne brennt dabei erbarmungslos bei 36 Grad vom Himmel. Ohne einen Tropfen Wasser erreichen wir das hübsche Städtchen Marchena. Von hier aus starten wir früh am nächsten Morgen zu unserer vorletzten Etappe. Zuerst führen uns kleine Sträßchen direkt in die Berge. Nach einer kleinen Kaffeepause in Pruna geht es steil bergab bis Olvera. Hier beginnt der letzte Via Verde für uns. Der Via Verde de la Sierra ist dann auch einer der beeindruckendsten Bahnradwege auf unserer Reise. Zu Beginn führt er fast wie auf einer Achterbahn bergab. Immer wieder durchqueren wir kurze Tunnels.

Der Radweg führt durch eine einsame, zerklüftete und dünn besiedelte Gebirgsregion. Die Länge der Via Verde Strecke von Olvera nach Puerto Serrano beträgt etwa 40 km und führt über vier Viadukte und durch dreißig Tunnel. Von einem Viadukt aus beobachten wir riesige Gänsegeier, die ihre Kreise ziehen. Der Untergrund ist perfekt mit feinstem Schotter versehen - diese Strecke ist der perfekte Graveltraum. Der Via Verde folgt nun dem Rio Guadalete bis zu seinem Ende am ehemaligen Bahnhof Puerto Serrano.

Über kleinste Sträßchen durchqueren wir am Ende unsere Reise die Berge Andalusiens. Kaum ein Meter ist flach und so kommen auf dem knapp 120 Kilometern noch einmal fast 1.500 Höhenmeter zusammen. Die allerletzten Kilometer fahren wir auf einem perfekten Schotterweg entlang des Flusses Guadarranque, der kurz vor La Linea de Conception ins Meer mündet.

Nach mehr als 1.100 Kilometern und 9.300 Höhenmetern endet hier unser Gravelabenteuer auf den Via Verdes in Südspanien. Zusammen mit unserer Reise aus dem letzten Jahr, haben wir Spanien auf den alten, meist geschotterten Bahnradwegen durchquert. Als Abschluss besuchen wir noch Gibraltar, das bekanntlich zu Großbritannien gehört. God save the gravel!

Wenn Sie den Reifenabdrücken von Timo und Mandy folgen möchten, finden Sie deren Route hier:

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Timo Rokitta und Mandy Rodriguez

Timo Rokitta

Timo is an über keen gravel rider based in Germany. He's ridden all over Europe and mixes competing in long distance gravel and bikepacking events, with social gravel rides. He's an event organiser and can be seen riding on either a Moots, an OPEN UP, an Allied Able or a 1970s folding bike converted for gravel use!

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