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Fahrberichte - A Day in Hell of Rheinhessen

Die alten Kopfsteinpflasterwege in Rheinhessen erinnern an Zeiten, in denen das Tempo langsamer war und die Wege mühsamer – und gerade deshalb intensiver. Wer sie heute mit dem Gravelbike befährt, begibt sich auf eine kleine Zeitreise, bei der jeder Meter ein Stück Geschichte trägt. In ihrer Unvollkommenheit liegt eine besondere Schönheit – rau, echt und bodenständig, wie das Gravelbikes eben.  Timo Rokitta berichtet von dem kürzlich stattgefundenen „Ein Tag in der Hölle“ in Rheinhessen, bei dem die Teilnehmer einige der besten Kopfsteinpflasterabschnitte Deutschlands durchquerten.

Kaum ein anderer Teil der Radsportsaison ist so legendär, so gefürchtet und zugleich so faszinierend wie die Frühjahrsklassiker – insbesondere jene Events auf Kopfsteinpflasterpassagen. In Belgien und Nordfrankreich, wo das Frühjahr oft kalt, nass und windig beginnt, werden oft Helden geboren. Denn hier zählt nicht nur Kraft und Tempo – hier ist Charakter gefragt. Die legendären „Pavés“ – unebene, oft jahrhundertealte Pflastersteine – verwandeln das Radfahren in ein episches Abenteuer. Dabei ist das Pflaster nicht einfach nur „rauer Untergrund“ – es hat in jedem Klassiker seinen eigenen Charakter. Kein Rennen steht so sehr für Kopfsteinpflaster wie Paris–Roubaix. Über 250 Kilometer lang, davon rund 50 Kilometer auf Pavé – das ist purer Wahnsinn auf zwei Rädern. Wer hier auch nur ankommt wird zum Helden – ist ein Kämpfer.

Rheinhessen, oft liebevoll als das „Land der tausend Hügel“ bezeichnet, liegt im Südwesten Deutschlands, eingebettet zwischen dem Rhein im Osten, dem Hunsrück im Westen, dem Nordpfälzer Bergland im Süden und dem Taunus im Norden. 

Versteckt zwischen Rebhängen, kleinen Dörfern und historischen Stadtkernen führen sie durch die Landschaft: alte Kopfsteinpflasterwege, die bis heute das Gesicht vieler rheinhessischer Orte prägen. Sie erzählen von vergangenen Zeiten, von Fuhrwerken und Winzern, von Handwerk und Geschichte. In Rheinhessen sind diese Wege mehr als nur ein Fortbewegungsmittel – sie sind kulturelles Erbe unter den Füßen. 

Was liegt also näher als in dieser Landschaft ein Gravelevent, das seinesgleichen sucht zu veranstalten. A Day in Hell of Rheinhessen ist deshalb die logische Konsequenz mit der Verbindung von Gravelbike, Pave und Landschaftsgenuss. 

Die Kopfsteinpflasterwege in Rheinhessen stammen zum Teil aus dem 18. und 19. Jahrhundert, manche Abschnitte sogar noch früher. Entstanden in einer Zeit, als Straßen für Pferdekutschen, Ochsenkarren und Fußgänger gebaut wurden, dienten sie dem Handel, dem Weintransport und der Verbindung zwischen Dörfern, Feldern und Märkten. Vor allem in Weindörfern wie Bechtheim, Nierstein, Oppenheim oder Flonheim sind noch heute viele dieser Pflasterwege erhalten – oft in schmalen Gassen, in Innenhöfen oder als historische Hohlwege durch die Weinberge.

Die Herstellung dieser alten Wege war noch echtes Handwerk. Große, unregelmäßige Steine wurden von Hand gesetzt – oft Basalt, Porphyr oder Sandstein, je nachdem, was in der Umgebung verfügbar war. Der Bau solcher Straßen erforderte nicht nur körperliche Kraft, sondern auch präzises Wissen über Wasserablauf, Haltbarkeit und Nutzung. Die typische gewölbte Form der Wege – die sogenannte „Kehle“ – sorgte dafür, dass Regenwasser seitlich abfließen konnte und sich in der Mitte keine Pfützen bildeten. 

Pünktlich um 8 Uhr starteten an Ostersamstag die ersten der mehr als 100 Teilnehmer. Vor ihnen lagen 180 oder 130 Kilometer, die Teilnehmer der kürzeren Strecken mit 100 oder 60 Kilometer starteten dann ab 9 Uhr. 

Die Strecke führte zunächst in westliche Richtung ins liebliche Zellertal, wo sie nach 15 Kilometern eines der holprigsten Paves erwartete. Zum Glück ging es bergab, was die Schläge auf Hände und Körper bei dem höheren Tempo etwas abmilderte. Von einer folgenden Hochebene boten sich dann herrliche Ausblicke in die Rheinebene und es gab bei der Abfahrt die Möglichkeit etwas durchzuatmen. Im kleinen Ort Flörsheim-Dalsheim folgte ein Pave-Stück, dass an einer alten Stadtmauer entlangführte und so schmal war, dass gerade der Lenker so durchpasste. 

Eine Treppe in Westhofen sorgte dann 10 Kilometer später für einen kurzen Adrenalinschub. Hier musste das Gravelbike geschultert und hinab ins historische Zentrum des Ortes getragen werden. Die Umfahrung der malerischen Seebachquelle entschädigte dann für den kurzen Fußmarsch. Über eine weitere Hochebene erreichten die Teilnehmer dann Nierstein, wo nach 70 Kilometern die reichhaltige Verpflegungsstation wartete. 

An der alten Burg in Schwabsburg musste dann das Gravelbike zum zweiten Mal geschultert werden. Tapfer stiegen die Teilnehmer die steilen Stufen empor in die Weinberge. Von hier war es nicht mehr weit zu den zahlreichen Pave-Stücken, die jetzt in immer kürzeren Abständen folgten. Eines der anspruchsvollsten Pave-Stücke führte dann als Sahnehäubchen in Laubenheim hoch in die Weinberge. Der Blick auf den Rhein und die Skyline von Frankfurt am Main entschädigte danach für den vergossenen Schweiß. 

Nachdem sich die Teilnehmer dann in Nierstein zu zweiten Mal in Nierstein stärken konnten, führte der Track als Tour d´Honneur über den Rheinterrassenweg zurück nach Worms. Es ging hierbei noch fünfmal mehr oder weniger steil durch die für die Gegend berühmten Hohlwege berghoch. 

Im Ziel wartete schon die leckere Pasta mit Thunfischsauce und ein kaltes Bier auf die Finisher. Als Belohnung für die Strapazen und als bleibende Erinnerung gab es noch eine exklusive Medaille sowie eine Thermomütze im Gravelstyle.   

Wenn du mehr über die anderen Gravel-Events erfahren möchtest, die Timo veranstaltet, dann schau dir seine Website an..

Wenn du seine Strecke selbst einmal ausprobieren möchtest, findest du hier die Details:

timo rokitta

Timo ist ein über enthusiastischer Schotterfahrer mit Sitz in Deutschland. Er ist in ganz Europa gefahren und mischt das Teilnehmen an Langstrecken-Schotter- und Bikepacking-Veranstaltungen mit sozialen Schotterausfahrten. Er ist auch Veranstalter von Events und man kann ihn entweder auf einem Moots, einem OPEN UP, einem Allied Able oder einem in den 1970er Jahren umgebauten Klappfahrrad für Schotterfahrten sehen!

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